Sie haben ein Problem? Super, ein Anlass zum Lernen!
Ein Problem löst keine Begeisterung aus, das ist klar. Sicherlich kommt es auf die Dimension an. Wenn der Bildschirm plötzlich schwarz ist, haben Sie ein mittelgroßes bis großes Problem. Wenn Maschinen ausfallen oder eine nicht geplante Reparatur notwendig ist, ist das ebenfalls ein Problem. Auch, wenn Sie mit Kollegen Konflikte haben oder Anfragen nicht beantwortet werden. All das kann nerven, einen Schrecken oder in der Folge Unsicherheit auslösen. Bekomme ich es wieder hin? Wer kennt das Problem, wen kann ich fragen?
Was im Hintergrund abläuft, also in Ihrem Gehirn, das ist ein Lernprozess. Lernen im Alltag nenne ich das, offiziell heißt es informelles Lernen.
Schauen Sie hinter die Kulissen Ihres Lernens und was das informelle Lernen mit Ihrer Selbstwirksamkeit zu tun hat.
Inhaltsverzeichnis
Lernen bedeutet, Probleme zu lösen
Während es Arbeitstages gibt es viele Situationen, wo Sie Ihr bestehendes Wissen neu oder ganz flexibel anpassen und einsetzen. Eine Kundenanfrage, die es so speziell noch gar nicht gab. Sie recherchieren, wägen ab und können die Frage schließlich zur hörbaren Zufriedenheit des Kunden beantworten.
Oder ein Meeting, in dem über eine neue Anschaffung diskutiert wird. Die ist aus Ihrer Sicht längst fällig und Sie sind mit einem Kollegen für die Erstellung der genauen Anforderungen zuständig. Denn das könnte für Sie und Ihre Kollegen in Zukunft viele Abläufe wesentlich verbessern! Mit Elan gehen Sie die Aufgabe an.
Der Kollege, den Sie an seiner Maschine im Bedarfsfall vertreten sollen. Ab und zu haben Sie das schon gemacht, aber das ist schon länger her. Was hat sich verändert, worauf sollen Sie achten? Das ist mit etwas Aufregung verbunden, gleichzeitig freuen Sie sich über die Abwechslung.
Tatsächlich lernen Sie fast ständig
Ganz nebenbei möchte ich Ihnen hier die verschiedenen – auch unbemerkten – Lerngelegenheiten mit dem 70:20:10 Modell nach Charles Jennings vorstellen.
70% dessen, was Sie lernen, passiert sozusagen nebenbei. Es ist Ihnen meistens nicht bewusst. Das beginnt mit dem Weg zur Arbeit, wo quasi über Nacht eine neue Baustelle entstanden ist. Sie überlegen: ‚Wo fahre ich jetzt am besten lang? Folge ich der Umleitung oder habe ich eine (hoffentlich) bessere Idee?’ Schon das ist Nebenbei-Lernen. Entweder nutzen Sie flexible Ihre Ortskenntnis oder Ihre Ortskenntnis wird erweitert. Was dazugehört, ist der Umgang mit der Situation. Sind Sie genervt oder bleiben Sie gelassen?
Arbeitsplatznahes Lernen
Es gibt ein Problem oder eine Herausforderung. Vielleicht gehören Sie dabei zu denen, die erst einmal selbst ausprobieren, um weiterzukommen. Wenn das nicht klappt, recherchieren Sie auf YouTube oder in der Wissensdatenbank. Wenn Sie dort ein Video finden, gucken Sie sich etwas ab. Vielleicht schauen Sie auch einem Kollegen über die Schulter. Oder Sie fragen gleich direkt nach, wie bei der Kundenanfrage, die es so noch nicht gab.
Wenn es um das Beispiel der Anschaffung geht, überlegen Sie erst einmal für sich, was diese aus Ihrer für Anforderungen erfüllen muss. Danach setzen Sie sich mit Kollegen zusammen und fragen nach deren Bedarf oder Sichtweise.
Wenn Sie im Fall der Vertretung die Maschine bedienen sollen, könnten Sie zuerst einmal zuschauen. Oder im Handbuch nachblättern. Wenn Sie selbst wieder an der Maschine stehen, könnten Sie den Kollegen nach Feedback fragen. Fällt ihm etwas auf, was Sie übersehen oder besser machen können?
Stärkung der Selbstwirksamkeit
Das, was Sie im Alltag neu gelernt haben, wenden Sie an. Ihre Fähigkeiten und Kompetenzen sind gewachsen. Meistens passiert das so nebenher, ohne dass es Ihnen bewusst ist. Eine typische Begleiterscheinung des informellen Lernens.
Doch Sie könnten sich nach einer neuen Aufgabe oder nach dem Lösen eines Problems fragen:
- Was kann ich jetzt besser?
- Was ist jetzt leichter als vorher?
- Was geht jetzt schneller oder flüssiger?
- Wo fühle ich mich jetzt viel sicherer?
- Womit komme ich besser klar?
- Wo ist es KollegInnen aufgefallen, dass Sie das jetzt können?
Eine gute Voraussetzung für die nächste Herausforderung. Sie trauen sich mehr zu. Wahrscheinlich fällt das auch anderen auf. Ihrem Teamleiter oder Ihrer Führungskraft. Sie bekommen andere Aufgaben. Oder solche, die vielfältiger sind. Das sind wiederum neue Lerngelegenheiten.
Motivation durch Wertschätzung für das eigene Lernen
Reflektieren Sie doch mal eine Woche lang am Arbeitsende, was Sie an diesem Tag gelernt haben. Was haben Sie neu ausprobiert, welches Problem konnten Sie lösen? Welche Frage konnten Sie beantworten, zu der Sie erst einmal selbst recherchieren mussten?
Denn – ganz ehrlich – ohne Lernen kommen Sie gar nicht durch den Tag. Diese kleinen ‚Learnings‘ werden von vielen Lernenden gar nicht wahrgenommen. Unter Lernen verstehen wir oftmals die anstrengenden, langen Phasen des Lernens. Auf einen Abschluss hin oder wenn Sie isch in ein ganz neues Thema einarbeiten. Das ist das bewusste Lernen, das in der ganzen Lernbiografie insgesamt nur einen kleinen Teil einnimmt.
Ja, reflektieren Sie Ihr Lernen – nur mal eine Woche lang. Sie werden feststellen, dass da eine ganze Menge zusammenkommt.
Lernen im Austausch
Zu etwa 20% findet Lernen im Austausch statt. Sie wissen, dass sich ein Kollege prima mit einem Programm auskennt, dass Sie nur selten nutzen. Also fragen Sie nach, wenn Sie nicht weiterkommen. Umgekehrt sind Sie gefragt, wenn es um neue Regelungen geht, weil Sie jeden Tag damit zu tun haben. Ein Praktikant kommt in Ihre Abteilung, der Fragen hat, die Sie überraschen und sogar Ihren Blickwinkel verändern. ‚So habe ich das noch nie gesehen, hm, da ist was dran!‘ Umgekehrt können Sie vom aktuellen Wissen des Praktikanten oder Studium oder der Ausbildung profitieren.
Beim Mittagessen sitzen Sie mit Kollegen aus einer anderen Abteilung am Tisch. ‚Sag mal, wie ist es denn bei Euch mit der neuen Strategie?‘ Auch das ist Lernen, weil Sie Ideen und Hinweise bekommen, wie andere mit einer neuen Situation umgehen.
Ohne Freiräume und Gelegenheiten zu Austausch kann das Lernen voneinander nicht stattfinden. Da werden in der Teeküche Tipps ausgetauscht oder am Kopierer eine Geschichte erzählt, die wichtige Informationen enthält, die so in keinem Handbuch stehen. Oder im Besprechungsraum Fachjournale durchgeblättert. Natürlich gehört das auch zum Lernen dazu. Wer solche Gelegenheiten mit ‚Sonst habt Ihr nichts zu tun?‘ abwürgt, braucht sich über mangelnde Lernbereitschaft nicht (mehr) zu wundern.
Nebenbei-Tipp für Führungskräfte
Lernchancen und Lernmotivation können gefördert werden, indem Lernen und auch das Nicht-gleich-sofort-wissen-und-gelingen ganz selbstverständlich thematisiert werden. Laden Sie als Teamleitung oder Führungskraft dazu ein, Fragen zu stellen. Zuerst aber zeigen Sie selbst, was Sie gerade lernen oder gelernt haben und wie Sie dabei vorgegangen sind.
Tätigkeiten, die sehr eindimensional sind, bieten leider kaum Lernanlässe. Schade, denn dann kann es sein, dass diese Mitarbeiter sich weniger zutrauen. Sie erleben sich weniger selbstwirksam. Wie können solche Tätigkeiten abwechslungsreicher gestaltet werden?
Im privaten Umfeld ist Lernen etwas ganz anderes!
Selbst die Mitarbeiter, die eindimensionale Tätigkeiten ausführen und sich im Beruf womöglich wenig Neues zutrauen, im privaten Alltag lernen fast alle, ganz selbstverständlich. Das sind die Erzählungen der Kinder aus der Schule, Freunde berichten von ihren Urlaubserlebnissen. Ihr Partner oder Ihre Partnerin hat einen Konflikt erlebt und möchte Ihre Meinung hören. Sie hören Nachrichten, lesen ein Fachjournal oder schauen sich eine Sportsendung an. Schließlich recherchieren Sie zu den Möglichkeiten der Konfliktbewältigung im Internet weiter. Sie wollen mehr darüber wissen und lernen dabei, ohne dass es Ihnen direkt bewusst ist.
Vielleicht können Sie dieses Wissen schon am nächsten Tag bei der Arbeit anwenden?
Jetzt wird es doch noch anstrengend: das formale Lernen
Jetzt bleiben nur noch die 10% aus dem Modell übrig. Das ist das, was wir meistens mit Lernen verbinden. Ein E-Learning, das für alle in der Abteilung durchlaufen werden soll. Eine ganze Seminarreihe zu Führungsthemen. Neue Abläufe durch die Digitalisierung oder eine ganze Serie von Fachartikeln, die Sie lesen sollten. Dieses Lernen fühlt sich oft anstrengend an. Auf einmal wird Ihnen bewusst, dass Ihr Gehirn ziemlich viel zu leisten hat.
Was haben Sie nun davon?
Diese 70:20:10 Aufteilung trifft für Sie vielleicht gar nicht zu. Entweder sind es 80:15:5 oder 60:30:10. Darauf kommt es nicht an. Sondern darauf, dass Sie tatsächlich täglich lernen, wenn Sie ein Problem lösen oder eine Herausforderung bewältigen. Sie bleiben fit für das Lernen. Aber das Schönst ist, dass Sie Ihre Selbstwirksamkeit damit stärken.
Das fühlt sich gut an und wappnet Sie für das, was noch an Veränderungen kommen mag.
Was können Sie sich von Ihrem eigenen Lernen abgucken?
Wenn Sie mal hinter die Lernkulissen des täglichen Lernens gucken wollen, hier einige Anregungen dazu:
Wenn Sie für sich allein am Problem getüftelt haben:
- Welches Nebenbei-Lernen habe ich fast nicht bemerkt?
- War es tatsächlich so leicht?
- War es für eine Herausforderung, die mich erst recht angespornt hat?
- Wo war ich erst einmal kurz blockiert und habe doch eine Lösung gefunden?
Wenn Sie für sich mit Kollegen ausgetauscht haben:
- Wie schnell frage ich Kollegen (statt es selbst zu probieren)?
- Kenne ich die Kollegen so gut, dass ich weiß, wen ich frage und wen nicht?
- Wo gibt es gute Gelegenheiten, andere um Unterstützung zu bitten (ohne sie zu stören)?
- Was kann ich im Gegenzug für die Kollegen tun?
Wenn Sie doch ganz bewusst und formal gelernt haben:
- War das bewusste Lernen geplant oder wurde es im Laufe der Herausforderung notwendig?
- Welche Strategie habe ich angewendet, um mir die Inhalte zu merken?
- Kann ich mir von meinem Nebenbei-Lernen oder Austausch-Lernen etwas für das bewusste Lernen abgucken, damit es leichter wird?
Denn das Reflektieren über das Lernen ist etwas, was oft zu kurz kommt. Oder meistens gar nicht stattfindet. Dabei ist das eine Chance, womit Sie Ihr Lernen sowohl leichter als auch abwechslungsreicher gestalten können. Da macht Ihr Gehirn liebend gerne mit und es bleibt auch mehr hängen.
Wenn Sie mehr wollen
Wenn Sie mehr über das Lernen und Reflektieren erfahren und erleben wollen:
Ein Lerncoaching ist ein individuelles Format, mit dem Sie sich und Ihr Lernen intensiv ansehen.
Zusammen mit Ideen, wie Sie es sich leichter machen können, damit Lernen gelingt!
Oder Sie buchen für Ihre Mitarbeiter die agile Lernreise oder wir kommen einfach ins Gespräch darüber, was Sie jetzt brauchen können.
Schreiben Sie mir doch, ich freue mich auf einen Austausch mail@margit-reinhardt.de